16. Januar 2017

Kassette, Stift und Bandsalat


Fast schon vergessen, schien die Magnetbandkassette. Nun steht sie ganz plötzlich wieder im Rampenlicht.

Viele Zeitgenossen können den Hype um dieses rechteckige Stückchen Plastik mit zwei klappernden Rädchen und meterlangem, gerolltem Magnetband nicht verstehen – ich schon!

Warum, erfahrt Ihr hier ... 

Längst war die Magnetbandkassette für tot erklärt. Einst der Nachfolger der Schallplatte, ist die Kassette heute von Folgemedien mehrfach überrundet. Erst kam die CD, dann die MP3. Die Kassette braucht heute keiner mehr – so die verbreitete Meinung. Den Inhalt einer ganzen Kiste Kassetten bekommt man locker auf einen kleinen MP3-Stick. 

Das Tape gilt als unpraktisch und veraltet. Warum soll man eine Kassette in stundenlanger Arbeit analog überspielen, wenn man doch in wenigen Sekunden unzählige MP3-Dateien digital auf ein Mobilgerät laden kann? Kids hören MP3 auf dem ultraflachen Smartphone und haben höchstens auf dem Shirt ein Bild von einer Kassette – weils kultig aussieht. 


Die Musikkassette ist Kult


Bei den meisten Menschen fristen die alten Tapes ein mediales Schattendasein im Keller oder auf dem Dachboden. Wegwerffreudige Zeitgenossen haben sie schon vor Jahren (oder Jahrzehnten) in die Plastiktonne gesteckt. Was soll man mit den ollen Dingern auch anfangen? Ein Großteil der Kassetten wurde wahrscheinlich schon als Qualm durch die verrußten Schornsteine der zahlreichen Müllverbrennungsanlagen Richtung Himmel geblasen.


Der Tonträger als Kunstobjekt


Parallel dazu existieren seit einigen Jahren diverse Kunstformen rund um den Kultgegenstand Musikkassette. Logisch, denn Künstler konnten auf Unmengen dieses inflationären Tonträgers als Rohmaterial für ihre kreative Arbeit zurückgreifen. Gibt man bei Google "Kassette" in Verbindung mit "Art" ein, findet man eine ganze Palette an Arbeiten, die sich mit dem eckigen Tonträger beschäftigen. In vielen Kunstprojekten wird das Magnetband zerschnitten, um dann zu einem Bild zusammengeklebt zu werden. 



Tape Art by Silvia Kling 

Ich persönlich fand es immer viel spannender die Tapes mit Lackstiften zu bemalen oder mit Bildern zu bekleben. Hier ein paar meiner selbst gestalteten Kassetten: 


Tape Art by bÄyz


Kassette mit Lackstiften bemalt by bÄyz


Das Tape ist back – Das Revival der Kassette


Seit ein paar Jahren zeigt sich nun – zumindest in gewissen Nischen des musikalischen Kulturlebens – auch wieder ein zunehmender Trend, die Musikkassette als das zu nutzen, was sie ist – ein Tonträger. Es gibt mittlerweile sogar Labels, die Musik wieder auf Kassette veröffentlichen. Ich habe von Labels gehört, die ausschließlich auf Tape veröffentlichen. 



Der besondere Reiz der Kassette


Dieses Phänomen entsteht meiner Meinung nach durch eine romantische Verknüpfung von haptischer Greifbarkeit, analoger Musik, positiver Erinnerung an früher und bewusster Entschleunigung in einer Zeit, in der Musik immer inflationärer verfügbar ist und sterile MP3-Dateien millionenfach leblos und ungenutzt auf Festplatten liegen.


Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Man öffnet mit einem leichten Quietschen die Plastikhülle mit ihrem bunten Cover, holt klappernd eine bunte Kassette heraus und legt sie in den Recorder, der mit einem mechanischen Druck die kleinen Rädchen in Bewegung setzt und die Musik startet. Nun läuft das Band bis zum Ende durch. .


Erinnerungen spielen eine wichtige Rolle


Kontakt zu den ersten Kassetten hatte ich im Vorschulalter. Besonders eingeprägt hat sich meine erste ALF-Kassette, die meine Schwester und ich damals 1989 von unseren Verwandten im Westen geschenkt bekommen haben. Wir habe dieses Tape geliebt! Es ist wahrscheinlich 100.000 mal gelaufen. Wir konnten jede Sekunde perfekt mitsprechen. 

Wenn ich heute an meine Kindheit denke, dann denke ich auch an diese ALF-Kassette. Ich weiß nicht genau, wo sie hingekommen ist. Ich habe sie mir deshalb neulich wieder organisiert – gebraucht für 4 Euro. Auch wenn das jetzt kitschig klingt, es war ein unglaublich ergreifender Moment, als die Kassette loslief, die ich mehr als 20 Jahre nicht gehört hatte. Gänsehaut.




Aber ich schweife ab. Was ich sagen wollte, ist, dass die meisten Menschen in meinem Alter mit Musikkassetten großgeworden sind. Wir kennen den Geruch von Tapes, mögen das Geräusch, wenn das Tapedeck zuklackt und können mit einen Bleistift spulen. Kassetten erinnern mich immer an die warme, behütete und heile Welt meiner Kindheit. 


Es herrschte kein Überfluss wie heute. Ein Tonträger war etwas Besonderes und wir hatten nicht viele davon. Wenn wir eine Kassette hörten, dann bewusst und nicht beiläufig. All das verbinde ich mit diesem kleinen, eckigen Tonträger. Die Kassette gibt mir ein gutes Gefühl. Sie wirkt ehrlich und solide. Und sie hat ein verdammt großartiges Design.


Die erste eigene Kassette aus dem Presswerk


Nachdem ich ja mittlerweile schon ein paar Jährchen selbst Musik mache, hab ich nun auch meine aktuelle EP „Brainstorm“ in einer limitierten Auflage von 50 Stück pressen lassen. Wow, was für ein Gefühl, wenn man seine eigene Kassette das erste mal in der Hand hält und dann laufen lässt. Hier ist das gute Stück:



Ich habe mir fest vorgenommen, jedes dieser 50 Tapes zu verschenken oder zu verlosen. Wenn Ihr Interesse daran habt, dann folgt meiner Facebook-Seite und nehmt an den regelmäßigen Tape-Verlosungen teil. 

Wie siehts bei Euch aus?


Habt Ihr auch eine lustige Kassettengeschichte auf Lager? Was ist Euer Lieblingstape? Schnippelt Ihr aus dem Band auch kleine Kunstwerke zusammen? Wieviele Kassetten habt Ihr? 

Ich würde mich RIESIG freuen, wenn Ihr mir ein paar Kommentare hinterlasst. Ich bin gespannt :)



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